Drittes
Kapitel Viertes
Kapitel
|
[Real- und Nominaldefinition]
Eine Art der Definition ist die Definition der Sache1, die andere
ist die Definition des Namens2. Die Realdefinition ist erstens
wesensmäßig oder essenziell, zweitens beschreibend.
Die essentielle Definition wird selbst-verständlich3 Definition genannt. Die beschreibende Definition wird Beschreibung genannt. Die Nominaldefinition wird Interpretation genannt. Die Essenzielle Definition oder die Definition im eigentlichen Sinne, ist ein Ausdruck, der die Natur einer Sache erklärt, oder, der das erklärt, was eine Sache ist, wie dieser: animal rationale, vernunftbegabtes Sinnenwesen, der die Natur des Menschen erklärt. Eine Art dieser Definition wird physisch genannt, eine andere metaphysisch. Die physische Definition wird geleistet durch voneinander verschiedene Teile, die ein gewisses Ganzes bilden, wie: Der Mensch ist zusammengesetzt aus Körper und vernünftiger Seele, welches physische Teile sind, die wirklich voneinander verschieden sind und die einen Menschen bilden. Die metaphysische Definition wird durch metaphysische Teile geleistet, die nur durch die Art, sie zu erkennen verschieden sind wie: Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Sinnenwesen. Die Elemente dieses Ausdrucks sind metaphysische Teile eines Menschen, die nicht wirklich voneinander verschieden sind wie die physischen Teile körper und Seele, sondern nur durch unsere Art, sie sich vorzustellen. Nun muß die wesensmäßige Definition in Wahrheit drei Bedingungen erfüllen, um gut zu sein. [R1] Die Erste ist: Sie muß klarer sein als die definierte Sache
und zwar, weil sie sonst nichts erklären würde.
In jedem Objekt gibt es Prädikate, die man generisch nennt, durch die dieses Objekt mit anderen Objekten übereinstimmt, und Prädikate, durch die es von anderen Objekten verschieden ist, diese werden differenzierende Prädikate genannt. Diese dritte Bedingung trifft auf die obengenannte Definition des Menschen zu, weil diese Definition aus der nächsten Gattung gebildet ist, das ist "Sinnenwesen", durch die der Mensch wie andere lebende Dinge ist, und aus der nächsten Differenz, rational, vernünftig, durch die er nächstens und unmittelbar unterschieden ist von anderen lebenden Dingen. Eine Beschreibung ist ein Ausdruck, in dem an Stelle der essenziellen Differenz ein anderes Prädikat, das zu der Sache gehört, gesetzt ist, wie: Der Mensch ist ein zweifüßiges Sinnenwesen, ein aufrechtes Sinnenwesen, usw. Die beiden ersten Bedingungen für eine Wesensdefinition sollten auch auf eine Beschreibung zutreffen, wenn sie gut sein soll. Die strenge Interpretation, oder die Definition des Namens ist das, was erklärt, was durch das Wort bezeichnet wird; und was geeignet ist, zu einer Definition des Sinnes der Sache (Realdefinition) zu werden durch Zuhilfenahme eines Postulates; oder was zu einer Realdefinition wird, wenn es zu der Frage kommt, ob das Ding existiert und diese Frage zustimmend beantwortet wird. Es gibt ein Beispiel in der Frage des Kontinuums. Ein Punkt ist definiert
als das, was keine Teile hat. Diese Definition ist keine Realdefinition,
weil fast jeder verneint, daß eine Quantität ohne Teile möglich
ist. Aber wenn es zu der Frage kommt ob ein Punkt existiert,
1 Realdefinition. 2 Nominaldefinition. 3 Bei Saccheri steht "autonomasticus". Das läßt sich übersetzen mit "selbstbenennend". Das der deutschen Umgangssprache geläufige "selbstverständlich" trifft die Sache aber eigentlich auch recht genau. Um es hier von dem alltäglich eingeschliffenen Gebrauch etwas abzuheben, schreibe ich es mit Bindestrich. |