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Polizeigewerkschaften bis 1935

  1. Einleitung

  2. Kommentar der GdP
  3. 1882-1913
    Regionale Gründungen
  4. 1913-1915
    Berlin
  5. 1915-1918
    Preußen
  6. 1918
    Revolution
  7. 1920
    Kapp-Putsch
  8. 1919-1931
    Reichsgewerkschaft
  9. 1933
    Machtübernahme
  10. Ausblick nach 1935
  11. Fazit
  12. Chronologie
  13. Register
  14. Bibliographie

 

 

 5 Die Revolution vom November 1918

Beim Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik wurde die Polizei nicht angetastet. Es wird oft gefragt, warum dieser Teil des Machtapparates nicht abgeschafft oder wenigstens stärker angegriffen wurde. Während im russischen Petersburg bei der Revolution nur wenige Polizeibeamten am Leben blieben6, vollzog sich der Übergang in deutschen Städten fast völlig unblutig7. Die Preußische Polizeibeamten-Zeitung, Organ des Verbandes der Polizeibeamten Preußens, schreibt dieses Verdienst ihrem Verband zu:

"Daß unsere Organisation nicht wenig dazu beigetragen hat, die friedliche Überführung von der Monarchie zur Republik zu ermöglichen, diese Tatsache wird allgemein anerkannt."
Preußische Schutzmannszeitung, Nr.47 vom 23.11.1918, zitiert nach Klingelhöller S.44

"Durch das Vorhandensein der Organisation und der Vereine in allen Städten, war es den Polizeibeamten möglich, sofort mit den jeweiligen neuen Machthabern ins Benehmen zu treten und die Berufs- und sonstigen Interessen der Polizeibeamten zu sichern."
Preußische Polizeibeamtenzeitung, ohne weitere Angaben zitiert bei Klingelhöller S.24

Genauer dokumentiert ist dieser Vorgang für die Reichshauptstadt, er soll sich aber überall ähnlich abgespielt haben8. In Berlin marschierte eine mehrere Tausend umfassende Menschenmenge zum Polizeipräsidium, um es zur Übergabe zu zwingen. Das Präsidium, bis an die Zähne bewaffnet und durch Militäreinheiten verstärkt, ergab sich sofort9. Wie die Übergabe des Polizeipräsidiums genau vor sich ging, ist nicht zu ermitteln. Emil Eichhorn schildert in seinen Erinnerungen, die Polizisten seien in panischer Angst vor den Revolutionären geflohen10. Die preußische Schutzmannszeitung stellt dar, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Schrader habe mit den Revolutionären verhandelt11. Leßmann führt Verhandlungen zwischen Emil Eichhorn und einem Behördenvertreter an12. Und Liang schließlich erwähnt eine Quelle, nach der das Polizeipräsidium schon kapituliert hatte, bevor Eichhorn als Abgesandter der Volksbeauftragten dort erschien13. Wahrscheinlich war die Lage in jenen Stunden tatsächlich so unklar, wie sie sich in den Quellen widerspiegelt. Vielleicht stimmen auch alle Darstellungen: Die einen fliehen, Schrader verhandelt mit den Massen, das Präsidium kapituliert, danach trifft Eichhorn ein und verhandelt.

Die Handlungslogik legt nahe, daß anschließend an die Kapitulation des Polizeipräsidiums die Frage geklärt werden mußte, ob die Schutzmänner weiterbeschäftigt werden sollen, oder ob der Rat der Volksbeauftragten sie entläßt, wie er es zunächst beschlossen hatte. Es ist anzunehmen, daß bei diesen Verhandlungen die Berufsverbände auf jeden Fall eine Rolle gespielt haben, denn erstens ist die mögliche Entlassung der gesamten Belegschaft natürlich ein Thema für eine Gewerkschaft, und zweitens war die Gesprächsbereitschaft der Revolutionäre gegenüber Gewerkschaftsvertretern vermutlich größer als gegenüber den Organen der Obrigkeit des Kaiserreiches. Der Verlauf der Verhandlungen ist nicht bekannt, wohl aber ihr Ergebnis. Am nächsten Morgen hing eine Bekanntmachung über die Übernahme der Polizei durch den Arbeiter- und Soldatenrat an den Litfaßsäulen. Dieser Anschlag dokumentiert die Beteiligung der Berufsverbände an der Übernahme, denn er ist unterschrieben von:

"Schrader, Verbandsvorsitzender der Schutzleute. Fröhlich, Polizeioberst. Murche, Vorsitzende der Wachtmeister. Eichhorn, Volkskommissar für den öffentlichen Sicherheitsdienst."
zitiert nach Klingelhöller, S.41

Damit machte der Vollzugsausschuß der Volksbeauftragten seinen schon gefaßten Entschluß, alle Schutzleute zu entlassen, wieder rückgängig14.



6 Klingelhöller S.24
7 Klingelhöller S.44
8 Klingelhöller S.44
9 Liang S.38-40
10 Wiedergegeben bei Liang S.40
11 Klingelhöller S.41
12 Leßmann S.12
13 Coper, Failure of a Revolution... S.197, erwähnt bei Liang S.40, Fußnote 12
14 Klingelhöller S.24
   

Entstanden als Hausarbeit zum Hauptseminar: Die Polizei in Geschichte und Gegenwart
Leitung: Prof. Dr. Hans Boldt und Dr. Hans F. Lisken
Wintersemester 1991/92, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Urheberrecht: Achim Wagenknecht
http://achimwagenknecht.de
Zuletzt aktualisiert am 09.02.2006