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Polizeigewerkschaften bis 1935

  1. Einleitung

  2. Kommentar der GdP
  3. 1882-1913
    Regionale Gründungen
  4. 1913-1915
    Berlin
  5. 1915-1918
    Preußen
  6. 1918
    Revolution
  7. 1920
    Kapp-Putsch
  8. 1919-1931
    Reichsgewerkschaft
  9. 1933
    Machtübernahme
  10. Ausblick nach 1935
  11. Fazit
  12. Chronologie
  13. Register
  14. Bibliographie

 

 

10 Fazit

Die Organisationsgeschichte deutscher Polizisten wird m.E. von der Wissenschaft zu wenig beachtet. Sie enthält interessante Aspekte.

Die Gründung des Schutzmannsverbandes in Berlin könnte man geradezu als Schulbeispiel für einen mit intelligenter Strategie geführten Organisationskampf benutzen. Durch Solidaritätskundgebungen, Unterstützung von außenstehenden Fachleuten und Politikern, Tarnveranstaltungen, Tarnorganisationen, das geheime Vertrauensmännergremium, die eigene Zeitschrift und eine getarnte Geldsammlung konnten sie das Organisationsverbot zunächst umgehen und schließlich aufheben.

Der Organisationsprozeß der deutschen Polizisten insgesamt, der von den Einzelnen über Ortsverbände und Bezirksverbände zu Landesverbänden und schließlich zur Reichsgewerkschaft führte, hat bemerkenswerte Parallelen zu einer der ältesten Organisationstheorien, nämlich der Theorie von der Entstehung des Staates, wie sie Aristoteles am Anfang seiner Politik schildert. Nach Aristoteles verbinden sich zunächst Einzelwesen, "die ohne einander nicht bestehen können", daraus entsteht die Hausgemeinschaft, aus mehreren Hausgemeinschaften das Dorf und "endlich ist die aus mehreren Dörfern bestehende vollkommene Gemeinschaft der Staat."13
Dieses Wachstum "von unten nach oben", das wahrscheinlich eines der Grundmuster politischer Organisationsprozesse darstellt, wird an den behandelten Vorgängen exemplarisch deutlich.

Bemerkenswert erscheint mir auch, wie Polizeiverbände an einigen wichtigen Punkten deutscher Geschichte in Erscheinung treten: bei der Revolution 1918, beim Kapp-Putsch und bei der nationalsozialistischen Machtübernahme.

Bei der Revolution scheinen die Verbände einen wichtigen Beitrag zum relativ unblutigen Verlauf geleistet zu haben. Ob das auch ein Beitrag zum Fortbestehen alter Strukturen und damit letztlich zum Scheitern der Republik war, bleibt offen.

Die zwielichtige Rolle des Wirtschaftsverbandes des Sicherheitspolizei beim Kapp-Putsch scheint mir weiterer Untersuchung wert. Das könnte Aufschluß darüber erbringen, wieweit der Putsch vom Personal seiner Ausführungsorgane wirklich mitgetragen wurde. Besonders das "aufklärende Flugblatt", das damals von diesem Verband herausgegeben wurde, könnte hier von Interesse sein.

Die faschistische Machtübernahme schließlich scheint bei der Polizeigewerkschaft einen recht typischen Verlauf genommen zu haben. Es genügte, die Exponenten politischer Überzeugungen auszuschalten. Nennenswerten Widerstand an der Basis scheint es nicht gegeben zu haben. So war es für die Nazis hier wie überall in Deutschland ein Leichtes, die Macht zu ergreifen und ihre Diktatur zu errichten.


13 Aristoteles: Politik, erstes Buch, 1252 a24-b30, zitiert nach Ausgabe dtv, München 1973, Übersetzt und herausgegeben von Olof Gigon.  


Entstanden als Hausarbeit zum Hauptseminar: Die Polizei in Geschichte und Gegenwart
Leitung: Prof. Dr. Hans Boldt und Dr. Hans F. Lisken
Wintersemester 1991/92, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Urheberrecht: Achim Wagenknecht
http://achimwagenknecht.de
Zuletzt aktualisiert am 09.02.2006